KRITIS und Perimeterschutz - Beitrag in der PROTECTOR 09I2024

Kritische Infrastrukturen stehen vor neuen Herausforderungen. Perimetersicherung kann maßgeblich dazu beitragen.

MARIE GRAICHEN

 

Herr Simon, die Sicherung des Perimeters ist die Sicherung einer Liegenschaft in erster Instanz. Doch Perimeterschutz beginnt meist schon vor dem Zaun. Wie geht das?

» Michael Simon: Der Perimeter besteht aus vielen Abschnitten mit unterschiedlichsten Aufgaben. Die Sicherung dieser Bereiche ist eine anspruchsvolle Aufgabe, denn sie sollen schnell und ohne Behinderung durch Berechtigte passiert werden können, müssen zeitlich aber auch effektiv gegen unberechtigten Zutritt schützen. Was der geeignete Perimeterschutz dann ist, beginnt bei der Analyse der Vorortsituation des Kunden, seinen Ansprüchen (gegebenenfalls auch Verpflichtungen) und seinem derzeitigen Schutzbestand.

 

Wie haben sich die Anforderungen an den Perimeterschutz in den vergangenen Jahren verändert?

» Simon: Einerseits zwingt die Konjunkturlage viele Kunden zu effektiven und kostenoptimalen Lösungen. Andererseits nimmt die Bedrohungslage für Unternehmen kritischer Infrastrukturen stetig zu, sodass künftig die Resilienz eines Unternehmens ein ausschlaggebender Faktor sein wird, wie der physische Schutz von Unternehmensliegenschaften ausgestaltet sein muss.

 

Warum sind und waren Angriffe wie die Klimakleber an Flughäfen oder der Angriff auf die Stromversorgung des Tesla-Werks so erfolgreich?

» Simon: Der Erfolg dieser Attacken begründet sich in der Spontaneität mit kurzer Vorbereitungs- und Durchführungszeit und in der Intensität solcher Übergriffe. Die Schwelle schützenswertes Gut zu beschädigen oder gar zu zerstören, ist deutlich geringer als noch vor einigen Jahren. Täter arbeiten in kleinen Gruppen und wissen um die Wirkung in Öffentlichkeit, Medien und sozialen Netzwerken. Daher werden Angriffe vermehrt nach dem Wirkungsgrad der Berichterstattung oder des größtmöglichen Störfaktors für das betroffene Unternehmen ausgesucht. Der derzeitige Perimeterschutz bildet für diese Situationen bei den meisten Betreibern kritischer Infrastrukturen noch keinen ausreichenden Schutz. Hier herrscht Nachholbedarf.

 

Was bedeutet das Kritis-Dachgesetz für die Perimeterschutz-Branche?

» Simon: Die EU hat erkannt, dass der Schutz im Bereich der Cyberkriminalität nicht mehr ausreicht, da sich die Angriffe auch im physischen Bereich abspielen. Nun hat das Kritis-Dachgesetz die Aufgabe diese Sicherheitslücke zu schließen, bleibt in seinen Beschreibungen zum Umfang des physischen Schutzes jedoch sehr abstrakt. Hier überlässt der Gesetzgeber den Betreibern kritischer Infrastrukturen die Stärke ihrer physischen Schutzmaßnahmen selbst zu bestimmen. Aber eines ist sicher: Die Umsetzung physischer Schutzmaßnahmen mit Toren, Sperren, Zutrittsanlagen, Personenvereinzelungsanlagen und Co. muss erfolgen.

 

Welche Veränderungen werden durch das Kritis-Dachgesetzes kommen?

» Simon: Der Perimeterschutz war bislang für viele Unternehmen eine Notwendigkeit, die sie im Zuge der Absicherung ihrer Liegenschaft zu erbringen haben. Oft wurde sich wenig Gedanken über Qualität, Zweck und Sinnhaftigkeit bestimmter Anlagen gemacht. Dies wird für die Betreiber solcher Anlagen nun anders. Mit ihren durchzuführenden Risikoanalysen und Resilienzplänen werden sie sich ausführlich mit dem Perimeterschutz und seinen sensiblen Bereichen auseinandersetzen müssen. Auch mit Begriffen wie Resistance Class für Zugangsanlagen gegen Einbruchschutz müssen sich Betreiber nun beschäftigen. Dort muss geprüft werden, ob der Einsatz einer Schranke für die Regulierung des Kraftfahrzeugverkehrs noch das geeignete Mittel ist, um unkontrollierten Zutritt von Personen zu verhindern.

 

Welche Produkte bieten Sie, um Perimetersicherung auch für Kritische Infrastrukturen zu gewährleisten?

» Simon: Wir haben zertifizierte und damit crash-getestete Produkte wie verschiedene Hochsicherheitspoller oder Flachfundamentpoller anlagen im Portfolio. Am Flughafen in Hamburg ist beispielsweise unser zertifiziertes Hochsicherheits-Faltflügeltor im Einsatz. Ein weiteres zertifiziertes Produkt ist eine Hochsicherheitsschranke, die für militärische Liegenschaften genutzt wird. Nicht zu vergessen unsere Zugangsanlagen wie unser RC2-Drehkreuz. In unserer Entwicklung befinden sich derzeit auch sogenannte Sicherheitsmöblierungen, mit denen sowohl städtischer Raum als auch Freigelände kritischer Infrastrukturen formschön und zurückhaltend gestaltet werden können und trotzdem die Sicherheit gegen Überfahrtaten gewährleistet werden kann.

 

Wie können Perimeterlösungen mit anderen Sicherheitsgewerken vernetzt werden, um Angriffe frühzeitig zu erkennen?

» Simon: Die Vernetzung von Einzelprodukten zu einem geschlossenen Sicherheitssystem stellt eine Herausforderung für die Branche dar. Vernetzte Videoerkennung, Zaundetektion, Einbruchs- und Alarmmeldung sowie die Steuerung von Sicherheitsschleusen, Toren und Drehkreuzen werden die Inhalte der vom Staat geforderten Risikoanalysen sein. Die richtige Mischung aus Beratung, passenden Produkten und Vernetzung wird Unternehmen in Zukunft vor physischen Angriffen schützen.

Häufig stehen die Reaktionszeiten bei Alarm in der Kritik. Wie können diese vor allem im Kritis-Bereich und auf Geländen mit großen Flächen verkürzt werden?

» Simon: Das Augenmerk wird darin liegen, sensible Bereiche wie Zufahrten und Zugänge bestmöglich gegen Überfahrtaten durch Anprall mit PKW und LKW zu schützen und Zaunanlagen mit ausreichend natürlichen Hindernissen zu ergänzen. Dazu zählen unter anderem Gräben, Bewegungsdetektoren, Videound/oder Drohnentechnik und andere Materialstärken am Zaun selbst, um unberechtigtes Eindringen zu verhindern oder so zu verlangsamen, um ausreichend Zeit für Gegenmaßnahmen zu gewinnen.

 

Wie kann Perimeterschutz Ihrer Meinung nach künftig besser gewährleistet und langfristig gewahrt werden?

» Simon: Sowohl in der Sicherheitsbranche als auch auf Kundenseite besteht noch immer eine gewisse Verunsicherung zum Kritis-Dachgesetz. Deshalb ist eine zeitnahe Verabschiedung des Gesetzes notwendig, um Irritationen und Verunsicherungen abwenden zu können. Klar ist, dass das Gesetz kommt und die darin beschriebenen Umsetzungszeiten dann sehr kurz gefasst sind. Daher ist Abwarten für Kunden hinderlich und kann gegebenenfalls zu Schwierigkeiten bei der baulichen Umsetzung führen. Es gilt sich also jetzt zu informieren.

Zurück